Gesundheitsfonds und neuer Beitragseinzug

Veröffentlicht am 07.08.2006 in Bundespolitik
 

Gesundheitsfonds - Funktionsweise
Angesichts der wachsenden Finanzierungs-probleme im deutschen Gesundheitswesen haben sich die Koalitionsparteien und das Bundeskabinett auf eine grundsätzlich neue Finanzarchitektur der sozialen Krankenversicherung verständigt.

Der Gesundheitsfonds wird künftig die einheitlichen Beiträge der Arbeitgeber, anderer Sozialversicherungsträger, die einheitlichen Beiträge der Versicherten sowie ab 2008 ansteigend Steuermittel bündeln. In den Fonds fließen die Beiträge der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer nicht kassenindividuell, sondern nach einem einheitlichen Prozentsatz. Aus dem Fonds heraus erhalten die Krankenkassen dann ebenfalls einheitliche Beträge für die Versorgung ihrer Versicherten (diese wiederum werden von ihrer Kasse über die Höhe des Betrags informiert). Zu diesen Beträgen bekommen die Kassen additiv je nach Risiko der Versicherten (wie z.B. Alter, Krankheit, Geschlecht) Zuschläge aus dem Fonds.

Im Ergebnis erhalten die Kassen erstmals völlig unabhängig vom individuellen Einkommen ihrer Mitglieder genau die Prämien, die sie für die Finanzierung des jeweiligen Risikos durchschnittlich benötigen.

Gestartet wird der Fonds mit ausreichenden Finanzreserven. Ausreichend heißt, es werden mindestens soviele Mittel eingespeist wie vor der Umstellung. Zudem ist klar, dass zum Start alle Kassen für ihre Mitglieder gleiche Wettbewerbschancen haben und daher entschuldet sein müssen. Lasten und Ungleichheiten, die in der Vergangenheit begründet sind, müssen bei der Einführung ausgeglichen sein. Hypotheken der Vergangenheit dürfen den Start in die Zukunft nicht belasten.

Krankenkassen sollen im neuen System ein stärkeres Interesse haben, wirtschaftlich mit ihren Mitteln umzugehen. Sie müssen die erweiterten Managementmöglichkeiten nutzen, um ihren Versicherten adäquate Versorgungs- und Tarifangebote zu machen. Hierzu werden umfassende Vertrags- und Tariffreiheiten eingeräumt; Krankenkassen können und müssen künftig in vielen Bereichen frei und selbstverantwortlich verhandeln und verschiedene Tarife für die Versicherten kalkulieren. Sie können dabei in Zukunft unter stark gelockerten Verbandszwängen, fast unbeschränkten Fusionsmöglichkeiten und damit ohne "erzwungene Rücksicht auf den Langsamsten im System" handeln.

Kommt eine Kasse mit den Fondsmitteln nicht aus, hat hat sie neben den Optionen zur besseren Steuerung der Versicherten durch das Versorgungssystem die Möglichkeit, von ihnen Mitgliedern zusätzliche Finanzmittel zu erheben. Dieser Beitrag kann je nach Entscheidung der Selbstverwaltung der Krankenkasse prozentual oder als fester Betrag direkt von den Mitgliedern erhoben werden. Wie auch immer die Kasse diese Option für Extrabeiträge nutzt und ausgestaltet, gesetzlich vorgegeben ist eine individuelle Belastungsgrenze. Analog zur heutigen Begrenzung der Zuzahlungen wird vorgesehen, dass niemand mehr als 1% des Haushaltseinkommens auf diese Weise insgesamt zuzahlen muss. Ohne neuen Verwaltungsaufwand (Zuzahlungsbegrenzung) wird auf ein eingespieltes Verfahren zur Begrenzung einer individuellen Überforderung aufgesetzt. Ob ein Zusatzbeitrag erhoben wird, ist ebenso Sache der Kassen selber wie die Beitragsrückgewähr durch effizient arbeitende Kassen.

Um auch Kostensteigerungen im Gesundheitswesen solidarisch zu finanzieren, müssen die Mittel, die in den Fonds fliessen, stets mindestens 95% der Ausgaben decken. Sollten die Mittel einschließlich der eingesetzten Steuergelder nicht ausreichen, werden die Steuerzuschüsse entsprechend erhöht und / oder die einheitlichen Beiträge der Versicherten und der Arbeitgeber an die neue Ausgabensituation angepasst.

Mit dem Fonds wird für die Berechnung und Überweisung der Zahlungen an die Krankenkassen keinerlei "Mammutbehörde" geschaffen, sondern werden bestehende Strukturen bei der Durchführung des Risikostrukturausgleichs genutzt: Die Kapazitäten für die Ermittlung der Zuschläge und Zuweisungen an die Krankenkassen bestehen im Kern seit Jahren beim Bundesversicherungsamt. Die Verrechnung der virtuellen Zahlungsströme erfolgt wie bisher über die Rentenversicherung.

Gesundheitsfonds – Warum?
Der Gesundheitsfonds bringt für alle Beteiligten erhebliche Vereinfachungen. Entgegen anderslautender Behauptungen ist er ein umfassender und nachhaltiger Beitrag zum Bürokratieabbau und zugleich zu mehr Wirtschaftlichkeit und Wettbewerb im Gesundheitswesen. Durch die einheitliche Festlegung der Beitragssätze übernimmt der Gesetzgeber – wie in der Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung - direkter als bisher die Verantwortung für eine wirtschaftliche Verwendung der Beitragsgelder der Solidargemeinschaft; zumal "die Politik" von Krankenkassen für Beitragssatzveränderungen schon immer verantwortlich gemacht wurde. Künftig wird die Verantwortung für die Beiträge damit klar und transparent; zugleich bleiben durch den Anpassungsmechanismus der Beiträge Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen in der Finanzverantwortung. Die Mittelverwendung wird durch die entsprechenden Wettbewerbsanreize bei Krankenkassen deutlich zielgenauer.

Durch den Gesundheitsfonds wird zudem endlich unübersehbar, dass die gesetzliche Krankenversicherung eine solidarische Versichertengemeinschaft ist. Die Beitragseinnahmen der Millionen zumeist Pflichtversicherten stehen nicht im Eigentum der einzelnen Kasse (geschweige denn des Managements), sondern sind der gesamten Versichertengemeinschaft zuzuordnen.

Gerade für die Zukunft bietet der Gesundheitsfonds viele sinnvolle Entwicklungsmöglichkeiten. So ist in ihm problemlos z.B. möglich, wie beschlossen, die Steuermittel zum Wohle der Beitragszahler einzuspeisen.

Schließlich erlaubt der Gesundheitsfonds einen faireren Ausgleich unterschiedlicher Einkommen und Risiken der Versicherten verschiedener Krankenkassen als bisher. Quasi automatisch findet künftig ein 100%iger Einkommenausgleich statt. Alle Versicherten werden dann den Kassen gleich viel Wert. Außerdem führt der gerechte Ausgleich dazu, dass es keine Benachteiligung von strukturschwachen Regionen mehr gibt: dass Menschen in einer Region niedrigere oder in einer anderen höhere Einkommen haben spielt für die Finanzausstattung der Krankenkassen keine Rolle mehr. Und auch die Krankheitsrisiken werden im Gesundheitsfonds besser als heute abgebildet werden. Sie werden direkt an Morbiditäts-Daten ausgerichtet und zielgenau im Risikostrukturausgleich erfasst.

Ein weiterer ganz wesentlicher Vorteil des Gesundheitsfonds ist die mit ihm verbundene Transparenz der Geldströme. Endlich wird sichtbar, was die Kasse für Versicherte erhält und damit auch, wie eine Krankenkasse mit dem Geld wirtschaftet. Alle zahlen den gleichen gerechten Prozentbetrag vom Einkommen in den Gesundheitsfonds ein und jede Krankenkasse bekommt die entsprechenden Beträge für jeden ihrer Versicherten heraus.

Neuer Beitragseinzug
Der Beitragseinzug für die Fondsmittel soll effizienter werden. Die Kassen müssen die Beiträge künftig nicht mehr jede für sich selbst einziehen und so Parallelstrukturen vorhalten. Dies sollen in Zukunft regional organisierte kassenübergreifende Einzugsstellen erledigen. Derzeit sind über 250 gesetzliche Krankenkassen jede für sich mit der Beitragserhebung befasst. Die Angaben der Kassen schwanken zwischen 10.000 und 40.000 Beschäftigten, die sich mit dem Beitragseinzug befassen. Realistisch ist eine Zahl von rund 15.000.

Die vorhandene Kompetenz wird organisatorisch gebündelt. Für die Arbeitgeber entfällt das komplizierte und verwaltungsaufwendige bisherige Einzugssystem. So entfallen für ihn beispielsweise auch die Folgen eines Kassen- oder Tarifwechsels seines Mitarbeiters, finanziell wie verwaltungstechnisch. Dies ist auch deshalb richtig und wichtig, weil die Entscheidung alleine beim Versicherten liegt und liegen soll, welche Kasse, welchen Tarif und welches konkrete Versorgungsangebot er individuell und in eigener Verantwortung für sich wählen möchte.

Beim zukünftigen Beitragseinzug wird, entgegen anderslautender Behauptungen von Krankenkassen und Gewerkschaften, selbstverständlich auf bewährte und funktionierende Strukturen und insbesondere auf das einschlägig qualifiziere Personal zurückgegriffen. Funktionierende Strukturen werden daher nicht "ohne Sinn und Verstand zerschlagen" oder gar "unsichere neue Bürokratien" geschaffen.

Bestehende Ressourcen der Krankenkasse werden in die neue Struktur überführt und integriert. Insbesondere für die Abwicklung des (vereinfachten) Mittelzuflusses werden die fachlichen Kompetenzen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Krankenkassen genutzt.

In diesem Zusammenhang: Die Bündelung der Beitragseinzugskompetenzen ist auf Kassen- und Kassenartenebene schon längst im Gange (vergleiche anliegende Übersicht). Immer mehr Krankenkassen nutzen die Reserven und Optimierungen, die die Konzentration des Beitragseinzugs und der Arbeitgeberberatung bieten. Durchgängig führt der Prozess zu Effizienzsteigerungen und durch die Bündelung der Erfahrungen zu einer deutlich höheren Zufriedenheit der Arbeitgeber. Dieser Prozess wird durch den künftigen, kassenartenübergreifenden Einzug der Gesamtsozialversicherungsbeiträge beschleunigt.

Es ist selbstverständlich, dass alle Sozialversicherungen und natürlich auch die Krankenkassen von den Einzugstellen ihre Gelder wie heute tagesgleich erhalten.

Wenn eine Krankenkasse einen Zusatzbeitrag von ihren Mitgliedern erheben muss, kann dies ohne weiteres in das neue System des Beitragseinzugs integriert werden. Krankenkassen und deren Beschäftigte können und sollen sich in Zukunft auf die Hauptaufgaben, Service und Betreuung ihrer Versicherten, sowie vor allem auf die stark erweiterten Handlungs- wie Vertragsmöglichkeiten zur Verbesserung der Versorgung konzentrieren. Hier werden neue Handlungsräume und große Potentiale erschlossen – für Management, Beschäftigte und damit für Beschäftigung insgesamt.

 

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