Zum Retten zu groß

Veröffentlicht am 27.07.2010 in Veranstaltungen
 

Dr. Matthias Kollatz-Ahnen

Dr. Matthias Kollatz-Ahnen, Vizepräsident der Europäischen Investitionsbank, war der Hauptredner auf einer Veranstaltung, zu der die SPD Weinheim eingeladen hatte. Sein Thema war „Eurokrise – Entstehung und Wege daraus“. Die Krise begann eigentlich als „Griechenlandkrise“, also in einem Land, in dem die Weinheimer Ortsvereinsvorsitzende Stella Kirgiane- Efremidis ihre Wurzeln hat. Sie hatte zwei weitere Experten als Mitwirkende gewinnen können: Lothar Binding, Mitglied des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages und Peter Simon, Mitglied im Fachausschuss Wirtschaft und Währung des Europäischen Parlamentes.

Dr. Kollatz-Ahnen umriss die Geschichte des Euro und die Hoffnungen, die man an ihn knüpfte. Es sollte ein einheitlicher Währungsraum geschaffen werden, die Währung sollte möglichst stark sein. Spekulationen, wie sie einst gegen das britische Pfund durch einen einzigen Finanztycoon möglich waren, sollten unmöglich gemacht werden. Eine unabhängige Europäische Zentralbank sollte über den Euro wachen. Er sollte sich zur Reservewährung entwickeln.

Die Hoffnungen erfüllten sich zum Teil, jedoch haben nicht alle Länder der Eurozone vom Euro nur Vorteile gezogen. Deutschland als besonders exportstarkes Land ist der größte Profiteur. Die Wirtschaftszentren sind generell die Gewinner, die Peripherie verliert.

Die Finanzkrise, die 2007 begonnen hatte, schwappte bald auf die Realwirtschaft über. Erst jetzt beginnt die, sich zu erholen. Längst noch nicht in Sicht ist eine Erholung der öffentlichen Finanzen, die stehen im Gegenteil noch vor ihrer größten Belastung.

Die Notwendigkeit systemischer Lösungen scheint erkannt worden zu sein, schnelles Handeln war aber nicht Konsequenz der Erkenntnis. So wird Rettung umso teurer, je später sie kommt. Das zeigt die Entwicklung der Größe der Rettungsfonds. Immerhin ist es zu einer Beruhigung gekommen, aber die Gefahr einer Eskalation besteht weiter.

Dr. Kollatz-Ahnen sieht als vordringlichste Zukunftsaufgaben eine langfristige Stabilisierung der Schulden, eine Steigerung der Investitionen und Zinssenkungen. Eine interessante Beobachtung ist übrigens der Vergleich des Ratings der hoch verschuldeten USA mit dem der Staaten der Euroländer: Kein Euroland hat ein besseres Rating als die USA!

Das Podium Das war der Anknüpfungspunkt für den Europaparlamentarier Peter Simon. Er geißelte das „System der Verantwortungslosigkeit“ und insbesondere die Abhängigkeit von wenigen, oft im Eigeninteresse bewertenden Rating-Agenturen. Er forderte einen unabhängigen „Finanz-TÜV“ als europäische Rating-Institution. Einen Grund vieler Bankpleiten sieht er in zu geringen Absicherungen durch Eigenkapital bei riskanten Geschäften. Eine direkte Durchgriffsmöglichkeit einer unabhängigen europäischen Aufsichtsbehörde auf einzelne Banken hält er für unabdingbar.

Das scheitert bisher an dem Beharren einiger Staaten auf nationalen Interessen und zeigt einen Geburtsfehler der EU: Deutschland sah immer die Reihenfolge politische Union und dann Währungsunion als erstrebenswert an, Frankreich setzte sich mit der gegenteiligen Vorstellung durch.

Lothar Binding machte in seinem Beitrag dieLothar Binding Absurdität der Situation deutlich: In Zeiten der Krise sollen ausgerechnet die Politiker, die angeblich nichts von Finanzen verstehen, den Experten, den Bankiers helfen. Dass die Letzteren nicht mehr verstehen können, was sie tun, sieht man an der Anzahl der Geschäfte, die ohne Eingriffsmöglichkeit zu Millionen pro Tag von Computern automatisch getätigt werden. Die Erhebung einer Finanztransaktionssteuer könnte zu einer gesunden Verringerung der Anzahl der Transaktionen und Verlangsamung beitragen.

Im Zusammenhang mit dem insbesondere von Großbrittanien vorgebrachten Argument gegen strengere Auflagen für die Finanzindustrie bemerkte Kollatz-Ahnen, dass er diese Branche nicht für eine Industrie halte. Eine „Industrie“ schöpfe ja schließlich Werte, was man auch bei gutem Willen der Branche nicht bescheinigen könne. In einer Übersicht stellte erstellte er die Verbindlichkeiten bedeutender Banken dem Bruttosozialprodukt der Heimatländer dieser Banken gegenüber. Sehr oft konnte man sehen, dass die Verbindlichkeiten das BSP um ein Mehrfaches übersteigen. Die sind dann zu groß, um gerettet werden zu können, wenn sie in Schwierigkeiten geraten. Hier wird die Größe der Gefahr offenbar.

Trotz der Komplexität der Materie entwickelte sich eine rege Diskussion. Die Frage, warum trotz offensichtlicher Erkenntnisse politisch so wenig passiere, lag vielen Zuhörern am Herzen. Die Antworten waren wohlbegründet, konnten aber nicht zufrieden stellen.

Dieter Lattermann

 

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