Über die Feiertage ist Wiesloch in Angst und Schrecken versetzt worden. Ohne rechtzeitige Beteiligung der betroffenen Kommune plante das Sozialministerium in einer zufällig freistehenden Immobilie des Landes Ex-Sicherheitsverwahrte Straftäter unterbringen. Dazu wurde die Jugendarrestanstalt, die vor wenigen Monaten geschlossen wurde, weil sie nicht mehr den heutigen Anforderungen einer Vollzugsanstalt entsprach, kurzerhand wieder für geeignet erklärt. Diesen Schnellschuss kann man nur als unverantwortlich bezeichnen. Dass sich Ministerpräsident und Landtagsabgeordneter nun als Retter vor ihren eigenen Taten feiern lassen wollen, wirkt wie eine schlechte Inszenierung zur Landtagswahl.
Unabhängig davon, ob die Jugendarrestanstalt für die Unterbringung geeignet gewesen wäre oder nicht, ist die Entscheidung über die Unterbringung von Ex-Sicherheitsverwahrten ohne ausreichende Information und Beteiligung der Bürger grundsätzlich abzulehnen.
Dass die Unterbringung auf Widerstand stoßen würde, musste auch der Ministerin klar sein. Zitat Prof. Leygraf, Direktor des Instituts für Forensische Psychiatrie der Universität Duisburg – Essen, aus seiner Stellungnahme zur Anhörung des Rechtsausschusses am 10.11.2010:
„Sollte an die Schaffung neuer Einrichtungen gedacht werden, sollte man im Vorhinein den heftigen Widerstand der Bevölkerung im Umfeld dieser neuen Einrichtungen einplanen, ferner die Schwierigkeiten, für solche Einrichtungen tatsächlich qualifiziertes Personal zu gewinnen.“
Die Bürger müssen nicht nur eine Standortentscheidung nachvollziehen und mittragen können, ihnen steht auch Aufklärung darüber zu, was konkret mit den Untergebrachten gemacht wird.
Für Wiesloch ist die Nutzung der ehemaligen Jugendarrestanstalt zwar jetzt angeblich „vom Tisch“. Allerdings gibt es noch keinen neuen Standort. Wenn nun diskutiert wird, die Betroffenen, - nach Gutachtereinschätzung stark rückfallgefährdeten Straftäter - „vorübergehend“ in der Forensik des PZN unterzubringen, (siehe Stellungnahme von Frau Bürgermeisterin Ursula Hänsch in der RNZ vom 4. Januar 2011) müsste auch hier Transparenz geschaffen werden:
- Was passiert mit den Untergebrachten konkret?
- Wie soll die angenommene Rückfallgefährdung nach Jahren und Jahrzehnten in Haft in kurzer Zeit überwunden werden?
- Welche Risiken kämen auf die Bevölkerung durch die notwendige Gewöhnung der Betroffenen an die Freiheit zu?
- Was passiert nach der für zunächst 18 Monate vorgesehenen Unterbringung?
Schließlich handelt es sich bei den Ex-Sicherheitsverwahrten nicht um kranke, schuldunfähige Menschen, sondern um voll verantwortliche Täter. Eine solche Klientel gab es bisher in der Wieslocher Forensik nicht. Hier wird Neuland betreten.
Siehe dazu auch Prof. Leygraf in seiner Stellungnahme zur Anhörung des Rechtsausschusses am 10.11.2010:
„Da eine als gefährlich eingeschätzte Gruppe bislang als psychisch gesund geltender „Hangtäter“ mit Mitteln des Strafrechtes nicht weiter gesichert werden kann, wird eine psychiatrisch verbrämte neue Form der Unterbringung geschaffen, um den weiteren Freiheitsentzug dieser Menschen sicherzustellen...Dies ist der Versuch, die Psychiatrie als Ersatzreserve für das Strafrecht zu nutzen, um den Freiheitsentzug bei Menschen zu begründen, die bis dahin explizit nicht als Adressaten psychiatrischer Fürsorge gegolten haben. ... Auch stellt sich die Frage, warum bislang bei dem entsprechenden Personenkreis nichts in diese Richtung unternommen wurde, wenn eine solche Behandlung tatsächlich als notwendig angesehen wird.“
Fazit: Auch eine „provisorische“ Unterbringung der Straftäter gehört nicht zu den Aufgaben der forensischen Abteilung des PZN. Sollte daran allerdings festgehalten werden, fordern wir ein transparentes, nachvollziehbares Vorgehen mit Beteiligung der Kommune, die Bürger haben ein Anrecht auf Information und Beteiligung. Und vor allem muss ein Konzept für die Jugendarrestanstalt her, sonst provoziert der Leerstand noch mehr unausgegorene Ideen.