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SPD Wiesloch

Reichbannerausstellung in der Theodor-Heuss-Realschule Walldorf

Veröffentlicht am 29.07.2024 in Ortsverein
 

Schwarz-Rot-Gold. Unsere Demokratie - unsere Farben. 

Lieber Holger, sehr geehrte Damen und Herren, ich bin heute durch`s schöne Walldorf gefahren und denke mal, auch hier beherrschten vor kurzem noch volltapezierte Laternenpfähle das Stadtbild. Der Wahlkampf ist gerade mal ein paar Wochen her. Viele Parteien und Gruppierungen warben um Stimmen, für das Europaparlament, für die Gemeinde-, Städte- und Kreistage. Hierbei sollte es eigentlich um Inhalte gehen, um Wahlprogramme, darum, wer meine Interessen am besten vertritt. Doch das ist leider immer weniger der Fall. Stattdessen wurde mit Sachbeschädigung gearbeitet, indem Plakate zerstört, verunziert und abgerissen wurden und immer häufiger auch mit Einschüchterung, verbalen Entgleisungen bis hin zu körperlicher Gewalt.

Unter anderem wurde in Dresden jemand, den ich persönlich kenne und sehr schätze, von 4 jungen Männern brutal angegriffen und zusammengeschlagen. Matthias Ecke, der als sächsischer Spitzenkandidat der SPD wieder in das EU-Parlament eingezogen ist, lag mit schweren Verletzungen im Krankenhaus. Um jemandem die Orbita zu brechen, braucht es schon ein gewolltes Ausmaß an Gewalt. Noch sind dies Einzelfälle, aber sie verbreiten eine Atmosphäre der Bedrohung und Angst, mit der sich auch Kommunalpolitiker konfrontiert sehen und die unsere Demokratie konkret und massiv gefährdet. Und wer glaubt, dass dies ein Weit-Weg-Problem ist, kann gerne mal versuchen abends alleine in Vogtsburg im Kaiserstuhl SPD-Plakate aufzuhängen.

 

Es drängen sich zunehmend Vergleiche mit der Weimarer Zeit auf.

 

Wir wollen heute hier die Ausstellung des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold eröffnen und viele haben sich vermutlich beim ersten Hören gefragt, ob die Schule jetzt in die völlig falsche Richtung abdriftet. Da es heute leider nahezu in Vergessenheit geraten ist und der Name einige Fragezeichen aufwirft, braucht es immer ein paar Erläuterungen.

 

Das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, Bund der republikanischen Kriegsteilnehmer e.V., war während der Weimarer Republik ein politischer Wehrverband zum Schutz der demokratischen Republik und wurde am 22. Februar 1924 nach den schweren politischen Unruhen des Jahres 1923 gegründet. Und feierte somit gerade seinen 100. Geburtstag. Es bestand vor allem aus Sozialdemokraten, Mitgliedern der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) (Vorläufer der heutigen FDP) und des Zentrums (Vorläufer der CDU).

 

Dem ursprünglichen Reichsbanner gehörten vor allem ehemalige Soldaten des Ersten Weltkrieges an. In dieser Zeit machten bereits der rechtsextreme Wehrverband Stahlhelm und der Rote Frontkämpferbund der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) die Straßen unsicher in ihrem Kampf gegen die Demokratie. Um hier dagegen zu halten engagierten sich die Mitglieder des Reichsbanners, das sehr bald um die drei Millionen Mitglieder hatte und damit die größte Massenorganisation zum Schutz der Republik war.

 

Man muss sich die damalige Zeit vor Augen führen, um das zu verstehen. Die Deutschen hatten gerade den 1. Weltkrieg verloren, fühlten sich durch den Versailler Vertrag unfair und über die Maßen gegängelt und benachteiligt. Die Bevölkerung litt unter den Kriegsfolgen und gab der demokratischen Regierung die Schuld an der Niederlage, da das Friedensabkommen im Grunde ihr erstes Handeln nach der Revolution und Machtübernahme am 9. November 1918 war.

 

1923 kamen mit der Hyperinflation wirtschaftliche Probleme hinzu. So kostete zum Beispiel im Oktober 1923 ein Kilo Brot 14 Millionen Mark, im November waren es dann schon über 230 Milliarden. Dies wurde 1924 mit der Währungsreform und der Einführung der Reichsmark beendet. Allerdings verloren Millionen Deutsche dadurch ihre Ersparnisse und das Vertrauen in die Republik und die Demokratie.

 

Diejenigen, die von Anfang an gegen die Demokratie waren, wie KPD, NSDAP und die Monarchisten, machten sich dies zu Nutze. Schon damals wurde mit Verschwörungstheorien gearbeitet, z.B. der Dolchstoßlegende, die verbreitete, dass man den ersten Weltkrieg nur verloren habe, weil die Demokraten das „unbesiegbare“ deutsche Militär verraten hätten.

 

In dieser Zeit rief Adolf Hitler seine Anhänger zum Putsch auf, was zu seiner Verhaftung und erstmal dem Verbot der NSDAP führte.

Es folgten dann einige Jahre der Ruhe, die wir heute als goldene Zwanziger kennen, doch dann stürzte die Weltwirtschaftskrise 1929 die Menschen wieder in Massenarbeitslosigkeit und Armut.

Ein weiteres Problem war, dass die Parteienlandschaft zu instabilen Regierungen führte, die häufig wechselten. Frust und Unzufriedenheit führte zu einem starken Anwachsen radikaler Parteien.

 

Die Jahre 1930 bis 1933 sind mit dem Kampf gegen die nationalsozialistische Gewalt die politisch wichtigste Phase in der Geschichte des Reichsbanners. Die „Sturmabteilungen“ (SA) der NSDAP überfallen vielfach politische Versammlungen und wollen die republiktreuen Kräfte einschüchtern und demoralisieren. Das Reichsbanner widersetzt sich der Straßengewalt und dem Terror gegen Demokraten. Ein Gewaltmonopol des Staates, wie wir es heute kennen, gab es damals de facto noch nicht. Saalschutz und der Schutz von politischen Veranstaltungen wurde in Eigenregie durchgeführt. Auch jüdische Einrichtungen wurden zunehmend von den Reichsbannermännern geschützt.

 

Das Klima der politischen Auseinandersetzung wird zu der Zeit immer gewalttätiger. Sowohl Nationalsozialisten als auch Kommunisten demonstrieren gegen die Republik. Dabei kommt es vielfach zu brutalen Übergriffen. Allein in Preußen gibt es zwischen Januar und Oktober 1931 mindestens 45 politische Morde.

 

 

Zahlreiche Angehörige des Reichsbanners werden bei Saal- und Straßenschlachten, aber auch bei Überfällen auf Einzelne und Gruppen schwer verletzt oder getötet. Insgesamt fallen der politischen Gewalt schon vor der Machtübernahme Hitlers mehr als sechzig Reichsbanner-Männer zum Opfer. (Frauen durften damals nicht Mitglied werden, das ist heute zum Glück anders)

 

Um sich besser schützen zu können, schließen sich Ende 1931 Gewerkschaften, SPD, Reichsbanner und Arbeitersportorganisationen zur Eisernen Front zusammen, deren Emblem, die drei Pfeile, vielleicht dem ein oder anderen heute noch bekannt ist.

 

Doch mit der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 ist die Niederlage der Republikaner besiegelt. Am 19. Februar 1933 kommt es ein letztes Mal zu einer großen Freiheitskundgebung des Reichsbanners vor dem Berliner Schloss. Kurz darauf wird das Reichsbanner verboten, seine Aktivisten werden verfolgt, in KZs inhaftiert und ins Exil getrieben.

 

Einige der bekannteren Mitglieder waren Männer wie Philip Scheidemann, Otto Wels, Julius Leber, Kurt Schumacher, Fritz Bauer und Theodor Heuss.

 

Am 28. Oktober 1953 wurde der Verband in der Bundesrepublik Deutschland neugegründet. Heute trägt der Verein den Namen Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, Bund aktiver Demokraten e.V. Wir sind nach wie vor ein überparteiliches Bündnis, das sich der politisch-historischen Bildungs- und Erinnerungsarbeit sowie der demokratischen Traditionspflege widmet, mit dem Ziel, die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland zu bewahren und zu stärken.

 

In der Verfassung der Weimarer Republik sind die neuen Reichsfarben Schwarz-Rot-Gold verankert, die seit dem Hambacher Fest von 1832 und der Revolution von 1848 als Symbol der deutschen Demokratie und Einheit gelten.

Nazis wie Monarchisten propagierten dagegen weiterhin die kaiserlichen Farben Schwarz-Weiß-Rot. Diese Farbfrage entwickelt sich damals zu einem regelrechten Flaggenkrieg, mit verfassungstreuen Republikanern auf der einen und Gegnern der ersten deutschen Republik auf der anderen Seite. 

 

Wir halten es für wichtig, immer wieder klar zu machen, dass unsere heutigen Nationalfarben Schwarz-Rot-Gold immer die Farben der Demokratie und Republik waren.

Deshalb haben viele von uns auch heute in ihren Profilbildern in sozialen Netzwerken die Farben schwarz-rot-gold mit dem Spruch „Unsere Farben – unsere Demokratie“. Wir sollten uns unsere Symbole nicht wegnehmen lassen, von denen, die sie nur beschmutzen.

 

Das Reichsbanner ist heute geprägt von vielen jungen Mitgliedern, die davon überzeugt sind, dass die Demokratie nicht von wenigen, sondern von möglichst allen gelebt und belebt werden muss. Denn Demokratie braucht Demokraten. Daher ist der Verein und seine politische Arbeit bis heute im Sinne seiner Vereinstradition überparteilich

 

Mit Wehrtruppen auf die Straße zu gehen, hatten wir allerdings nicht wieder vor. Dass sich gerade erst im Kommunalwahlkampf z.B. in Heidelberg wieder Gruppen gebildet haben, die die plakatierenden Ehrenamtlichen begleiten und beschützen wollten, finde ich in Anbetracht des gesellschaftlichen Klimas verständlich, das Gefühl, dass dies wieder notwendig ist, aber hochgradig entsetzlich.

 

Es gibt also durchaus einige Parallelen von damals zu heute.

 

Schon damals haben es die Demokratiefeinde mit purem Populismus geschafft, die niedersten Instinkte der Massen zu wecken.

 

Hier möchte ich den Reichsbanner-Kameraden Kurt Schumacher zitieren, der einer Gruppe junger SPD-Reichstagsabgeordneter angehörte, die von Anfang an eine harte Linie gegen die Nazis vertraten. Für seine deutliche antifaschistische Haltung wurde er 10 Jahre in den Konzentrationslagern der Nazis eingesperrt. Am 23. Februar 1932 hielt er im Reichstag eine mutige Rede:

 

"Die ganze nationalsozialistische Agitation ist ein dauernder Appell an den inneren Schweinehund im Menschen. […] Wenn wir irgendetwas beim Nationalsozialismus anerkennen, dann ist es die Tatsache, dass ihm zum ersten Mal in der deutschen Politik die restlose Mobilisierung der menschlichen Dummheit gelungen ist."

 

Genau diese Mobilisierung macht einem auch heute Angst.

 

Dieses Jahr gibt es noch ein weiteres Jubiläum. Vor genau 175 Jahren haben die badischen Revolutionäre für die erste Demokratie auf deutschem Boden gekämpft und viele von ihnen sind für diese Idee eines Lebens in Freiheit und Gerechtigkeit gestorben.

 

Heute erscheint uns das alles selbstverständlich. Wir kennen es nicht mehr anders, selbst viele von denen, die das Unrechtsregime im Osten noch erlebt haben, verklären es mittlerweile. Aber insbesondere unter den jungen Menschen gewinnt die AfD zunehmend an Zustimmung. Durch ein Dauerberieseln auf Tiktok und in anderen sozialen Medien werden Hirnwäschen betrieben, die dazu bestimmt sind, die Geschichte umzuschreiben und sich selbst als Opfer darzustellen.

 

Sprüche wie: Sophie Scholl würde AfD wählen, oder Nazis waren Linksextreme lassen einen erschaudern. Nur wenn ich den Menschen immer und immer wieder einrede, dass alle Fakten von irgendwelchen ominösen Eliten erfunden sind, um sie zu manipulieren, werden es auch immer welche glauben. Die Gruppe „Flacherde und Chemtrails sind real“ hat auf Telegram über 10.000 Mitglieder. Und wie diese Menschen jemals wieder mit Sachargumenten erreicht werden sollen, ist mir ein Rätsel.

 

 

Solide Politik ist ein ernstes und kompliziertes Geschäft, in dem es so viele Stellschrauben und Wirkungen zu bedenken gibt, dass es selten einfache Antworten gibt. Daher sind Populisten mit ihren vermeintlich einfachen Lösungen für viele attraktiv. Dass diese Lösungen allesamt falsch sind und kein einziges Problem lösen würden, sondern im Gegenteil zu einer massiven Verschlechterung der Lebensumstände von ca. 99% der Menschen führen würden, merkt man dann halt leider erst, wenn es zu spät ist.

 

Die Remigrationspläne der AfD würden nicht nur den Wirtschaftsstandort Deutschland massiv gefährden. Sie würden auch unmittelbar dazu führen, dass viele Dienstleistungen nicht mehr angeboten werden könnten. So irrelevante Dinge wie Pflege, Müllabfuhr, Paketdienste, aber auch die Ernte unserer Lebensmittel oder die ärztliche Versorgung in Krankenhäusern. Und dies sind nur einige wenige Beispiele.

 

Weitere Pläne, wie ein Austritt aus der EU oder der NATO würden Deutschland in eine fatale Isolation führen. Der einzige Nutznießer daran wäre wohl Russland, denn ein entzweites Europa wäre das Beste, was Putin passieren könnte. Man muss sich immer wieder klarmachen, dass nur 6 Jahre, also kaum ein Wimpernschlag, nach dem verheerenden Krieg mit Millionen von Opfern, den Deutschland seinen europäischen Nachbarn angetan hat, genau diese Nachbarn bereit waren, uns die Hand auszustrecken und uns in der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, dem Vorgänger der EU, willkommen geheißen haben und friedlich und freundschaftlich mit uns zusammenarbeiten wollten.

 

Ich kann mir gar nicht ausmalen, wie viel Überwindung das gekostet haben muss. Kaum eine Familie, die nicht den Tod eines Angehörigen betrauert hat und dennoch war man dazu bereit. Und dieser Schritt war es, der unseren Platz im Herzen eines Europas gesichert hat, dass seit fast 80 Jahren in Frieden und Freiheit miteinander lebt. Und auch unser Wohlstand ist zu einem sehr großen Teil diesem Umstand zu verdanken. Jede Abkehr von Europa wäre für eine Exportnation wie Deutschland fatal.

 

 

Aber eine wirkliche Auseinandersetzung mit den Programmen findet heute gar nicht mehr statt. Es geht nur noch darum, Empörung zu generieren und in Angst, Hass und Hetze umzumünzen. Tatsachen bedeuten da nichts mehr. So wird bei vielen Themen auch heute das Gegenteil von dem postuliert, was noch gestern gefordert wurde. Sei es beim Impfen oder dem Ausstieg aus der Kernkraft, völlig egal, Hauptsache dagegen, von erfundenen Dingen wie einem Bevölkerungsaustausch, Millionen Impftoten oder Blackouts fabulieren und die Menschen aufhetzen.

 

Mein Sohn meint neulich, ist doch egal, wer gewählt wird, für uns ändert sich ja eh nichts. Ein ganz gefährlicher Fehler (zumal seine Frau Türkin ist). Die Rechtspopulisten in anderen Länder zeigen uns deutlich, wie vulnerabel eine Demokratie doch ist. Wer hätte sich vorstellen können, dass ein Präsident in den USA den Kongress erstürmen lässt, und nicht nur straffrei bleibt, sondern wieder kandidiert.

 

Und dass sich die Rechtsprechung durch von ihm eingesetzte Bundesrichter in kurzer Zeit zurückentwickelt zu finsteren Zeiten, in denen das Leben einer Frau weniger wert ist als ein Zellklumpen oder ein abgestorbener Fetus.

 

In Ungarn ist die Pressefreiheit massiv eingeschränkt, in Polen war die Dreiteilung der Gewalten akut gefährdet und konnte zum Glück durch den knappen Wahlsieg demokratischer Kräfte abgewandt werden.

 

Demokratisch gewählte Antidemokraten können die Systeme nachhaltig zum Schlechten verändern und wenn man sie lässt, abschaffen. Das Toleranz-Paradoxon ist uns allen hinlänglich bekannt.

 

 

Demokratie ist eine Pflanze, die Pflege braucht. Und Menschen, die sich aktiv für sie einsetzen. Und es ist viel leichter, sich für sie einzusetzen und sie zu verteidigen, solange es sie noch gibt.

 

 

Ich danke der Theodor-Heuss-Realschule für die Möglichkeit, die Ausstellung über den mutigen Kampf des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold für die erste Demokratie auf deutschem Boden in ihren Räumen zu zeigen und wünsche allen Besucherinnen und Besuchern einen interessanten und lohnenswerten Durchgang durch die Ausstellung. Denn wie ein spanischer Philosoph so schön sagte: Wer die Vergangenheit vergisst, ist verdammt, sie zu wiederholen.

 

Vielen Dank

Homepage SPD Walldorf

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